Es referiert Prof. Dr. Regine Buchheim von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, zum Thema: „Die Verfolgung und Enteignung jüdischer Deutscher durch Steuer(un)recht im Nationalsozialismus“.
In ihrem Vortrag stellt Professor Buchheim fest, dass die Finanzverwaltung neben der Gestapo und SS maßgeblich an der Verfolgung und Enteignung der jüdischen Deutschen beteiligt war. Dazu waren nur minimale Veränderungen des damaligen Steuerrechts notwendig, das sich in vielen Bereichen von unseren heutigen Gesetzen wie dem Einkommensteuergesetz nur wenig unterscheidet. Diese bürokratischen Verbrechen und ihre Mechanismen im "Dritten Reich" wurden erst in jüngerer Zeit erforscht, ebenso wie die antisemitische Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, in dessen Tradition sich unser heutiges oberstes Steuergericht, der Bundesfinanzhof in München, lange unkritisch sah.
Für ihr Forschungsprojekt wertete Professor Buchheim insgesamt 120 Prozessakten aus der Zeit von 1933-1945 aus, die im Bundesarchiv Berlin trotz Kriegseinwirkung weitgehend erhalten geblieben sind. Parallel wurden die zeitgenössischen steuerrechtlichen Normen und der institutionelle Kontext des Reichsfinanzhofs in der Zeit 1933-1945 erarbeitet. Zwar nahm das damalige Reichsfinanzministerium Einfluss auf das oberste Steuergericht in München, die Richter fällten aber bereits ab 1933 – ohne Druck aus Berlin – explizit antisemitische Urteile. Besonders fatal für das Alltagsleben wirkte sich ab 1935 die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für jüdische Wohlfahrtsorganisationen und Vereine aus.
Datum: 10. April 2019
Uhrzeit: 18:00 Uhr
Ort: Hochschule Stralsund, Haus 21, Hörsaal 4
Referentin: Prof. Dr. Regine Buchheim
Thema: „Die Verfolgung und Enteignung jüdischer Deutscher durch Steuer(un)recht im Nationalsozialismus“