Hochschule bringt Doktorin hervor

Rabea Aschenbruck, bisherige wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Szepannek, hat promoviert – dank einer Kooperation. HOST strebt Promotionsrecht an.

Eien lächelnde junge Frau vorn stehend, hinter ihr ein Mann mit Schiebermütze.
Rabea Aschenbruck ist jetzt Doktorin. Zu verdanken hat sie das auch der Unterstützung ihres damaligen Chefs, Prof. Dr. Gero Szepannek.

Die Hochschule ist um eine Doktorin reicher. Rabea Aschenbruck, bisherige wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Gero Szepannek (Statistik, Wirtschaftsmathematik und Machine Learning) in verschiedenen Projekten an der Fakultät für Wirtschaft, hat promoviert – dank einer Kooperation mit Prof. Dr. Adalbert F. X. Wilhelm Professor of Statistics von der Constructor University Bremen. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, Fachhochschulen und dergleichen haben kein eigenes Promotionsrecht – anders als Universitäten, die dieses Privileg führen.

Die Hochschule strebt an, das zu erweitern. „Wir möchten auch als Hochschule das Promotionsrecht führen“, konstatiert Prof. Dr.-Ing. Jens Ladisch, Prorektor für Forschung und Entwicklung an der Hochschule Stralsund, „wir verfügen sowohl über die Expertise als auch über die Forschungsstärke“. Davon zeugen veritable Beispiele vergangener erfolgreicher Promotionen durch Kooperationen mit Universitäten: die Arbeiten von  Dr. Susanne Marx, von Dr. Johannes Pohl, Dr. Daniel Klembt belegen dies eindrucksvoll. In der Regel greifen hierbei die guten Kontakte der Kolleginnen und Kollegen zu den Universitäten, jedoch bleibt es stets eine Herausforderung, einen hochschulexternen Erstgutachter zu gewinnen. „Diesen Umweg der Promotion durch Kooperationen möchten wir umgehen und unseren vielversprechenden Absolventinnen und Absolventen direkt die Perspektive der Promotion in den hochschuleigenen Fakultäten eröffnen, u.a. auch, um sie als hochqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs zu halten – an der Hochschule als auch im Land“.

 

Das Potenzial für Promotionen gibt es natürlich jetzt schon. Und eben das hat Prof. Dr. Gero Szepannek bei Rabea Aschenbruck erkannt. „Wissenschaftliches Arbeiten macht mir einfach Spaß“, sagt die 33-Jährige, als sie sich an ihre Zeit an der Hochschule Stralsund (HOST) zurückerinnert, „es ging mir eigentlich nie um den Doktortitel“. Und unter dieser Prämisse begann sie 2018 an der Hochschule. Sie hatte in Dortmund an der TU Statistik studiert, erst im Bachelor, dann im Master. „Bestimmung von Erstbestellmengen für neu eingeführte Artikel im Einzel- und Großhandel“ war der Titel ihrer Masterarbeit. Dabei nutzte sie K-Prototypes, einen Cluster-Algorithmus und ein Paket der Programmiersprache R dazu. Und das ist zufällig ein Fachgebiet, auf dem Prof. Dr. Szepannek brilliert. 1998 hatte ein Asiate den Algorithmus erfunden, „15 Jahre später habe ich ihn programmiert und damit anwendbar gemacht“, erklärt der Prof. Er veranstaltet wiederkehrend R-User-Treffen für die unterschiedlichsten Anwender*innen der Statistikprogrammiersprache „R“. Der Algorithmus ist genau wie diese open source – frei nutzbar und wurde unter anderem während der Pandemie zur Forschung mit Corona-Daten angewendet. „Das Schöne daran ist, dass er auch gemischte Daten analysieren kann“ – Zahlen und andere Kategorien – „gemischte Daten kommen einfach in der Realität häufiger vor“, sagt Rabea Aschenbruck. Bei Umfragen wäre schon die Frage nach Hobby und Alter so ein Beispiel. In ihrer Arbeit dazu, als Masterstudentin in Dortmund, taten sich Fragen auf. Die stellte sie Gero Szepannek, nicht wissend, dass der selbst dort studiert hatte und ihr späterer Chef würde. Nach fachlichem Austausch, bewarb sie sich an der Hochschule Stralsund als wissenschaftliche Mitarbeiterin; bei ihrem Know-How und den thematischen Überschneidungen war das fast nur eine Formalie.

Rabea Aschenbruck arbeitete an der HOST in Projekten wie zur Datenanalyse in kleinen und mittelständischen Unternehmen am damaligen Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum und „Digitale Lehre. Mediendidaktische Unterstützung“ mit. Ersteres war eigentlich ein reines Transfer-Projekt, es sollte Wissenschaft in die Bevölkerung bringen, zum Nutzen der Unternehmen. Aber zusätzlich forschte Rabea Aschenbruck – aus Leidenschaft daran. Im Kompetenzzentrum arbeitete sie mit Unternehmenspartnern wie beispielsweise einem Hotel in Baabe oder dem Tourismusverband MV. Vor allem für kleine Unternehmen sei allein die Nutzbarmachung von Daten oder eine einfache Analyse schon ein großer Vorteil – etwa zur Zielgruppenbestimmung und damit zur Profilschärfung des eigenen Produkts oder der Dienstleistung, erklären die Statistiker*innen Szepannek und Aschenbruck.

Für den Tourismusverband modellierten sie über so genanntes Textmining (zum Strukturieren und Analysieren von Textdaten) Kategorien. Geht ein Tourist auf die Website und sucht zum Beispiel nach Restaurants oder Hotels, sollten ihm nicht Cafès und Campingplätze ausgespuckt werden – Eine Texterkennung, mit einer Spur Künstlicher Intelligenz (KI) darin, sorgte dafür, solche Fehler auszuschließen.

Daten sind Rabea Aschenbrucks Gebiet – durch und durch. Sie verfolgt eine intrinsische Motivation. Mit der begann sie schon ihr Studium. „Wenn man einen Haufen Daten vor sich sieht, hat man eigentlich nichts. Aber wenn man sie genauer analysiert und auswertet, kann man Schlussfolgerungen ableiten“. Diese Erkenntnis wiederum fand sie nach dem Schulabschluss derartig spannend, dass sie Statistik studierte und es nie bereut hat. Ihre Leidenschaft kam in Projekten wie am Kompetenzzentrum und dem KI-Kochbuch (mit Rezepten zur Anwendung oder eben auch Nicht-Anwendung von KI) gerade Unternehmen der Region zu Gute – von der zielgruppenspezifischeren Arbeit mit dem Kundenkreis durch eine einfache Analyse der eigenen Daten bis hin zur Automatisierung von Prozessen.

 

Im Projekt „Digitale Lehre. Mediendidaktische Unterstützung. eLearning“, das vom Land angedacht hochschulweit stattfand, hat sie mit Prof. Dr. Gero Szepannek Tools beziehungsweise digitale Hilfsmittel erarbeitet – von der Möglichkeit der Nutzung von Umfragesystemen bis zum zielgerichteten Einsatz von Videotools und wie die Systeme ineinandergreifen. Hinter allem stehen Daten. „Mir fiel ihre Art des Arbeitens auf, mathematische Beweise zu führen, alles sehr eigenständig“, sagt Prof. Dr. Szepannek. Den Anstoß, dass sie wirklich promovierte, gab er. Und aus seiner Frage beziehungsweise seinem Vorschlag zu promovieren, entstand ihre Absicht. Aber die ist gar nicht so leicht zu verfolgen an einer Hochschule.

 

Promovieren an einer Hochschule?

Grundsätzlich ist es nicht einfach an Universitäten die notwendigen Partner für Promotionen beziehungsweise kooperative Promotionsprogramme zu finden. „Es ist nicht überall gern gesehen“, kann Prof. Dr. Gero Szepannek berichten – und ist damit nicht allein. Jeweils sind sie mit dem großen Engagement der Professor*innen verbunden, die ein Talent in Studierenden oder bisherigen wissenschaftlichen Mitarbeitenden erkennen – Ein Talent für die Wissenschaft, das genutzt werden sollte. Viele gehen den Weg nicht bis zum Ende. Rabea Aschenbruck ging ihn, aber sie musste sich beeilen. Maximal sechs Jahre darf man an Hochschulen als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig sein – „Diese Bestimmung gibt es eigentlich zum Schutz der wissenschaftlichen Mitarbeitenden, damit die Situation der andauernden Befristungen gebrochen wird und eigentlich mehr feste Stellen geschaffen werden“, erklärt Rabea Aschenbruck. Auf diese Stellen lässt es sich danach theoretisch auch klagen. „Tatsächlich aber wird durch diese Regelung die Situation für die wissenschaftlichen Mitarbeitenden verschärft“, sagt die junge Doktorin. Für sie bedeutete das, ihre Promotion innerhalb von knapp 2,5 Jahren, von Herbst 2021 bis Anfang 2024 abschließen zu müssen. Im Februar hat sie ihre Doktorarbeit abgegeben, im April verteidigt, im Juni publiziert. Ihre Zeit an der Hochschule endet nach der maximal zulässigen Höchstbeschäftigungsdauer.

 

„Jetzt bin ich fertig.“ Erstmal steht freie Zeit an – beim SUP-fahren, Radfahren, Freiwasserschwimmen – Rabea Aschenbruck will auch weiterhin ihre Zeit in der Region bestmöglich nutzen und würde hier gern bleiben. Ob bei Forschungseinrichtungen oder großen Unternehmen, die ihre Daten analysieren – Wo sie anfangen wird, ist noch relativ frei. Fünf Jahre muss man praktisch gearbeitet haben, drei davon außerhalb einer Hochschule, um Professorin zu werden. Auch das ist kein Titel, den die 33-Jährige unbedingt anstreben würde, aber was dahintersteht, Wissenschaft und andere dafür zu begeistern, das wäre eine Motivation. Aber auch dieser Weg ist noch offen.

 

Promotionen an der Hochschule Stralsund – Ein Plan für die Zukunft

 

Das Bestreben der Hochschule Stralsund, das Promotionsrecht für ausgewiesene Forschungsbereiche zu erhalten sowie der Wunsch zum Ausbau der Integration von forschendem Lernen, ist auch in den Vorstellungen der HOST für die Eckwerte des Hochschulentwicklungsplans mit dem Land abgebildet. „Die Hochschule Stralsund erachtet ein eigenständiges Promotionsrecht für ausgewiesene Forschungsbereiche als entscheidend, um hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen für Forschungsprojekte zu gewinnen und eine wissenschaftliche Perspektive aufzuzeigen“, heißt es dort.

„Unsere Hochschule ist sehr innovativ in vielen zukunftsgestaltenden Bereichen – darauf sind wir stolz“, sagt der Rektor der Hochschule Stralsund, Prof. Dr. Ralph Sonntag. Gerade an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften entstünden Forschungsergebnisse mit direkter Wertschöpfung für Wirtschaft und Unternehmen, das zeichne diese aus, so Sonntag. „Promotionen entstehen durch Forschungsstärke und wissenschaftliche Arbeit und damit gerade auch bei uns“, kommentiert er.