Beauftragte will Kultur des Miteinanders schützen

Mit der Stabsstelle Antidiskriminierung will die Hochschule Verantwortung und Vertrauen weiter stärken und präventiv tätig werden.

Merle Hoffmann ist die Antidiskriminierungsbeauftragte der Hochschule Stralsund.

Mit offenem Blick und einem Lächeln sitzt Merle Hoffmann an einem kleinen Besprechungstisch in ihrem Büro in Haus 1 der Hochschule, vor ihr ein Körbchen mit Soft-Bonbons und eine Taschentücherbox. Das Setting macht klar: Hier darf offen gesprochen werden – persönlich, ehrlich und vertraulich. Merle Hoffmann ist die Antidiskriminierungsbeauftragte der Hochschule Stralsund. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Gruppen an der HOST – Studierende, Lehrende, Mitarbeitende, Lehrbeauftragte. Sie ist die Ansprechpartnerin für alle, die das Gefühl haben, in irgendeiner Form benachteiligt oder marginalisiert zu werden. Mit solchen Konsultationen werde sie aber – wie es im Hochschul-Umfeld zu hoffen ist – nicht überrannt, erklärt sie. Häufiger ist ihre Tätigkeit in kleineren nuancierten Situationen gefragt, in denen es Unsicherheiten gibt, zum Beispiel auch von Vorgesetzten oder Lehrenden, wie am elegantesten mit einer Situation umzugehen ist. Die Frage „Wie kann ich nichts falsch machen?“ – in diesem Umgang vor allem mit einer sehr aufgeklärten Jugend – ist vielen wichtig.

 

Ziele der Stabsstelle Antidiskriminierung

Merle Hoffmanns Tätigkeit kann der Diskriminierung vorbeugen, indem präventive Strukturen und eine offene Kultur des Miteinanders geschaffen werden. „Es ist wichtig, zu signalisieren, dass wir eine Hochschule sind, an der man das darf – an der man sein kann, wie man ist“, sagt sie. Sei es nun, dass man sexuell anders orientiert ist, nicht-binär oder in irgendeiner anderen Form von der gesellschaftlich noch immer postulierten angeblichen Norm abweicht. Motive für Diskriminierung können vielfältig sein – nach ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter, körperlichen Beeinträchtigungen, auch nach sozialer Herkunft.

„Fälle, in denen jemand jemanden aufgrund von Zuschreibungen bewusst benachteiligt – sind die seltensten, vor allem an der Hochschule. Aber: Wir bewegen uns gesamtgesellschaftlich in benachteiligenden Strukturen oder Situationen und müssen damit umgehen, auch im Hochschulbereich“, erklärt Merle Hoffmann. Da geht es um Barrierefreiheit, baulich wie sprachlich, um Ausdrücke und Begriffe, die nicht „böse gemeint“ sind, aber als abschätzig empfunden werden können. Es geht um die Verwendung von Begriffen als Kraft- oder Schimpfausdruck, die aber andere, wenn auch unbeabsichtigt, benachteiligen. Es geht um Sprache, aber auch um Bilder, Normen, Annahmen und Zuschreibungen, die häufig als Stereotype und Vorurteile dazu beitragen können, Abweichungen von einem angenommenen oder gewünschten Durchschnitt abwertend zu betonen, und damit Diskriminierungen zu zementieren. Vor allem geht es um die Menschen – um jeden einzelnen von uns. Und so unterstützt Merle Hoffmann dabei, sensibel, bewusst und konstruktiv mit Chancengleichheitsthemen und -forderungen umzugehen.

 

Die Beratungen

„Ich weiß, dass gewisse Hemmungen bestehen, eine Antidiskriminierungsberatung in Anspruch zu nehmen“, sagt Merle Hoffmann, „es ist eine kleine Hochschule, man kennt sich untereinander“. Aber die Beratungen sind vertraulich – persönlich, telefonisch, per E-Mail oder sogar über ein anonymes Online-Kontaktformular möglich. Dieses kann jederzeit genutzt werden, um Erlebnisse aus dem Hochschulalltag mitzuteilen oder über Teilhabehürden zu informieren. Falls der Wunsch nach einem Gespräch besteht, können freiwillig Kontaktdaten beigefügt werden. Beispiele für ihre Beratungen möchte Merle Hoffmann ungern nennen – ihre Beratungen sind absolut vertraulich und selbst die groben Themen behandelt sie wie selbstverständlich diskret.

Zu etwa einem Viertel sei die Beratung eine für Betroffene, zu drei Vierteln eine kollegiale Fachberatung. So berät sie unter anderem bei Lehrmaterialien (warum zum Beispiel immer nur männliche Crash-test-Dummys zeigen?) oder zu gendersensiblen Forschungsarbeiten (zum Beispiel, wenn Geschlecht im Gesundheitsbereich relevant wird) – natürlich auch hinsichtlich der verwendeten Sprache. Heute wohl eine der alltäglichsten Fragen: Soll geschlechtersensibel (Mitarbeiter*innen), genderspezifisch (Mitarbeiter) oder genderneutral (Mitarbeitende) formuliert werden.

 

Warum gendergerechte Sprache

„Ich merke, dass sich einige schwer damit tun, dass eine sichtbar-machende Schreibweise zu Irritationen führt, zu der Frage „Ist das noch ästhetisch und der deutschen Sprache angemessen; kann man so auf Sprache einwirken?“ – Ich finde: Ja, Sprache entwickelt sich.“ Wie auch per Rektoratsbeschluss empfohlen, gendert Merle Hoffmann favorisiert per Gendersternchen – oder eben genderneutral: „Es kann charmant sein, einen passenden Begriff zu finden. Und natürlich – da verstehe ich viele Kolleg*innen – klingt es manchmal furchtbar, aber man kann darüber lachen. Wichtig ist gendergerechte Sprache aber in jedem Fall trotzdem.“ Auch wer für sich selber kein Problem mit wenig „gegenderten“ Formulierungen sehe, signalisiere anderen Menschen mit einer gendersensiblen Sprache bestimmte Werte. „Wie wir sprechen sollte eindeutig sein. Wenn wir alle ansprechen wollen, sollte das sichtbar sein“, sagt Merle Hoffmann. „Das schafft auch ein anderes Bewusstsein.“ Gendergerechte Sprache gebe Menschen auch die Möglichkeit, sich selbst zu beschreiben, wie sie sich sehen und empfinden und so auch angesprochen zu werden. Was sprachlich weit verbreitet ist, ebne auch im sozialen Umgang einen Weg, normalisiere die Geschlechtervielfalt. „Gendergerechte Sprache kann ein Willkommenszeichen sein und vor allem ein Zeichen von Respekt, es kann Menschen vermitteln, gesehen und wertgeschätzt zu werden.“

Info-Seite zur gendersensiblen Sprache: https://www.hochschule-stralsund.de/host/gremien-und-vertretungen/gleichstellung/gendersensible-sprache/

Die „richtige Ansprache“ – Du, Sie, Herr, Frau …

Menschen richtig anzusprechen – angefangen mit der richtigen Schreibweise des Namens, hat etwas mit Respekt zu tun. Wenn jemand nicht binär ist oder sein könnte, sich vielleicht keinem Geschlecht zugehörig fühlt, ist das schwieriger. „Herr“ oder „Frau“ reicht dann nicht aus. „Ich empfehle zum Beispiel gern die Anrede „Guten Morgen“ in Kombination mit Vor- und Nachnamen der Person“, berichtet Merle Hoffmann, „aber es gibt selten „die“ pauschale Lösung. Es geht um Identität, darum, wer wie wahrgenommen werden will. Manchmal möchte man vielleicht bewusst etwas nicht betonen, manchmal aber auch ganz bewusst etwas nicht unsichtbar machen.“ Das sei für alle ein Prozess und vieles ist eben nur im direkten Einzelfall und Kontakt zu lösen – miteinander.

Ein Klassiker: Die Frage nach dem Du oder Sie. „Andere Hochschulen sind stärker hierarchisch strukturiert. Ich empfinde die HOST als dahingehend vergleichsweise niedrigschwellig. Das Du unter Kolleg*innen ist relativ verbreitet.“ Die Entscheidung dafür oder dagegen sei aber an einer Hochschule komplexer als in einem normalen Unternehmen. „Wir haben viele unterschiedliche Statusgefüge und Funktionen. Aber zudem sind wir auch auf einem Campus, verbringen hier alle viel Zeit, viele Studierende und Lehrende den ganzen Tag, theoretisch sind wir alle Kommiliton*innen. Du oder Sie – das kann auch eine Frage von Nähe und Distanz sein. Es kann instrumentalisiert werden um Sonderrollen zu erzeugen. Auch hier entscheidet der Einzelfall, ob ein Arbeits-Du das Richtige ist“, führt die studierte Sozialwissenschaftlerin aus. Ein gutes Zeichen und übereinstimmend mit ihrer Wahrnehmung der Niedrigschwelligkeit: Probleme dahingehend sind an die Beauftragte noch nicht herangetragen worden.

 

Warum eine Stabstelle Antidiskriminierung?

Die Hochschule Stralsund fördert im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs und ihrer Möglichkeiten ein diskriminierungsfreies Lehr-, Lern- und Arbeitsumfeld und eine gemeinsame Organisations- und Campuskultur, die auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie einem respektvollen und wertschätzenden Miteinander beruhen.

Antidiskriminierungsarbeit ist ein wichtiger Baustein einer offenen, toleranten und chancengerechten Hochschule. Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Antidiskriminierung sind Querschnittsthemen, welche in allen Bereichen der Hochschule von Bedeutung sind. Institutionell sind diese Themen in der Stabstelle Antidiskriminierung verankert.

Die Position der Antidiskriminierungsbeauftragten bekleidet Merle Hoffmann seit Oktober 2022, seitdem gibt es diese Stelle. Dem voran waren Diskussionen in Senat und Rektorat gegangen. „Und es gab auch den Wunsch von Studierenden, dass so eine Stelle entsteht, schon allein, weil nicht alle Themen und Anliegen durch die Gleichstellung abgedeckt werden können“, sagt Merle Hoffmann. Antidiskriminierung ist ein weites Feld und bedarf entsprechender Ressourcen und qualifizierter Ansprechpersonen. Eine Antidiskriminierungsstelle einzurichten, zeigt dass uns als Hochschule der Diskriminierungsschutz wichtig ist und wir auch offen mit dem Thema umgehen. Das schafft Verantwortung und Vertrauen.

Mehr dazu: Hier

Nächste offene Sprechstunde:

Fr, 23.06.2023: 10:00 - 14:00 Uhr

Fr, 30.06.2023: 10:00 - 14:00 Uhr

Eine individuelle Terminvergabe ist via E-Mail antidiskriminierung@hochschule-stralsund.de oder per Telefon möglich.

Jede Beratung ist vertraulich und kann auf Wunsch auch anonym erfolgen.

 

Kontakt:

Merle Hoffmann

Antidiskriminierungsbeauftragte

Tel: +49 3831 45 6780

Raum: 134, Haus 1