Der Blick ins Gehirn


Prof. Dr. Hans-Heino Ehricke ist stellvertretender Leiter des Institute For Applied Computer Science (IACS) und Studiengangsleiter für Medizinisches Informationsmanagement/eHealth. Seine Expertise konzentriert er insbesondere auch im Competence Center Health Informatics des IACS. Zu dessen Hauptprojekten zählen neben einem telemedizinischen Fernbefundungssystem und der optischen Qualitätssicherung in der Schuhfertigung vor allem auch die Visualisierung von Nervenbahnen aus kernspintomographischen Datensätzen. Über letztere schreibt Prof. Dr. Hans-Heino Ehricke hier und gewährt damit einen „Blick ins Gehirn“.

***

Am Institute for Applied Computer Science (IACS) arbeiten Wissenschaftler über zehn Jahren daran, Nervenbahnen im Gehirn besser sichtbar zu machen. Neurochirurgische Therapien gehören trotz fortschrittlicher Operationsmethoden noch immer zu den schwierigsten Eingriffen für Operateure. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Nerven von tumorösen Wucherungen bereits betroffen sind und welche lebenswichtigen Nervenbahnen zu Schaden kommen könnten. In der kernspintomographischen Diffusionsbildgebung wird die Diffusion von Wassermolekülen im menschlichen Gewebe gemessen. Die prinzipiell ungerichtete (isotrope) Diffusion wird im Bereich von Nervenfasern durch die Myelinscheide eingeschränkt, sodass eine gerichtete (anisotrope) Diffusion entsteht, deren Ausmaß und Richtung prinzipiell mit einer räumlichen Auflösung von circa 2,0 mm * 2,0 mm * 2,0 mm ermittelt werden kann.

Den Verlauf von Nervenbahnen dreidimensional rekonstruieren

Aus den Messdaten des Kernspintomographen kann durch komplexe Verfahren der Bildverarbeitung und der graphischen Datenverarbeitung der Verlauf von Nervenbahnen rekonstruiert und dreidimensional visualisiert werden. Hinderlich für den klinischen Einsatz der Methodik ist das schlechte Signal-zu-Rausch Verhältnis der Messdaten sowie die mangelhafte räumliche Auflösung. Letzteres führt im Bereich von sich kreuzenden, verzweigenden oder berührenden Faserbündeln zu nicht eindeutigen Richtungsinformationen, was die Rekonstruktion von Nervenfasern erschwert.
 

Enge Kooperation mit dem Universitätsklinikum Tübingen und Patente

Das Comeptence Center  Health Informatics des IACS entwickelt Methoden zur Rauschminderung und Regularisierung von Diffusionsprofilen sowie Algorithmen zur Visualisierung von Nervenfasern. Die Arbeiten erfolgen in enger Kooperation mit der Magnetresonanz-Gruppe der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums Tübingen. Im Rahmen des Projekts sind bereits zwei europäische Patente angemeldet und erteilt worden.

Die Abbildung zeigt die Visualisierung von Nervenfasern anhand einer Oberflächenrekonstruktion des Tumors (gelb) und von Schnittbildern der Kernspintomographie (grau) und der Faserrekonstruktion (farbig).